Dresden: Die Waldschlösschenbrücke. (Foto: M. B.)
sss

Freitag, 23. Dezember 2011

Protest gegen den Abbau der Gaskandelaber in einem Dresdner Denkmalschutzgebiet

Der in Dresden lebende und arbeitende Architekt Rainer Scholz äußert sich zur Denkmalschutzsituation in Dresden, speziell in Striesen und Blasewitz:


Vielleicht haben Dresdner und Gäste der Stadt schon mitbekommen, das im Zuge der Sanierung der Altenberger und Oehmestraße die alte Gasbeleuchtung gegen zwölf Meter hohe Zinkmasten erfolgt. Ich habe mich dazu beim Straßen- und Tiefbauamt und beim Denkmalamt erkundigt und beschwert, da die alten Gaskandelaber als Kulturdenkmal geschützt sind, und sich der Straßenbau zudem durch das Denkmalschutzgebiet Striesen-Blasewitz Nord-Ost zieht.

Nach Aussage des Denkmalamtes wurde hier mit massivem Druck vom Straßen- und Tiefbauamt darauf gedrungen, die alte Gasbeleuchtung abzubauen. Es gibt eine Vereinbarung, in welchen Straßen die Kandelaber abgebaut werden dürfen. Dazu gehört die Altenberger-Oehmestraße, Hüblerstraße, Augsburgerstraße und die Bergmannstraße, innerhalb des Denkmalschutzgebietes. Geplant ist hier der Ausbau der Straßen zu Hauptverkehrsstraßen, aufgrund der Einordnung des Stadtplanungsamtes. So wie ich das Straßen- und Tiefbauamt verstanden habe, wurden umfangreiche Fördermittel für den Ausbau zu Hauptstraßen genehmigt. Ein wichtiger Bestandteil dieser Förderkriterien ist die Beleuchtung der Straßen nach neuesten Anforderungen.

Was mir sehr dabei aufstößt ist, das die Stadt es wohl darauf abzielt, möglichst den Großteil der Straßensanierung über Fördermittel zu finanzieren, und daher das geschützte Stadtbild im Wege steht, um an die Fördertöpfe zu gelangen. Laut Denkmalschutzsatzung sind nur unerhebliche oder zeitlich begrenzte Maßnahmen genehmigungsfähig. Der Abbau der Gasbeleuchtung ist sicher kein unerheblicher Eingriff in das geschützte Stadtbild.

Bei mir stellt sich die Frage, wenn die Stadt sich, um Fördermittel zu erlangen, über ihre eigene Denkmalschutzsatzung hinwegsetzen kann, ob dann nicht auch die Anlieger und Bürger das dürfen? Dann würde das Stadtbild endgültig – zum Beispiel durch Vollwärmeschutzfassaden – zerstört.
Ich sehe in dem Vorgehen der Stadt eine massive Schwächung des Denkmalschutzes. Hier kann eine schlechte Vorbildwirkung entstehen, die den Denkmalschutz aushebelt.

Den eigentlichen Grund für den Ausbau der Durchgangs- zu Hauptverkehrsstraßen konnte mir auch das Straßen- und Tiefbauamt nicht schlüssig erläutern. Da das blaue Wunder an der Kapazitätsgrenze ist, wird nicht von einer Verkehrszunahme ausgegangen. Auch der zukünftige Verkehr von der Waldschlösschenbrücke wird für Stiesen-Blasewitz nicht mit einbezogen, da der Verkehr und der Stau am Blauen Wunder diesen Stadtteil für Nutzer der Waldschlösschenbrücke unattraktiv macht.
Also kann der Grund nur in der Fördermittelkriterien liegen, der dazu führt, das völlig überzogene Baumaßnahmen durchgeführt werden, die eher an einen Autobahnrastplatz erinnern, als an einen Straßenbau in einem Denkmalschutzgebiet.

Sind nicht schon in DDR-Zeiten die Bürger auf die Straße gegangen, um gegen den Abbau der Gaskandelaber zu protestieren? Nach der Kriegszerstörung, dem sozialistischen Wiederaufbau, der Aberkennung des Weltkulturerbes, wird hier weiter daran gearbeitet, das Dresden bis in die Gegenwart ein Beispiel für die grenzenlose Dummheit der Menschheit bleibt.

(Foto oben: Die neuen Beleuchtung, hier noch mit altem Gaskandelaber, der inzwischen abgebaut wurde. Foto R. Scholz)


Rainer Scholz

Dienstag, 13. Dezember 2011

Aus für die SZ-Beilage PluSZ – Wirkungen zwischen Niedergang und Chance

Die wöchentlich erscheinende kulturelle Veranstaltungsbeilage PluSZ der Sächsischen Zeitung soll zum 26. Januar 2012 eingestellt werden. Dies meldete bereits am 27. November 2011 flurfunk-dresden.de. Dort gab DD+V-Geschäftsführer Oliver Radke auch zum »besten«, dass es dabei um Kohle geht: »Der Verlag konzipiert bis dahin ein Anschlussprodukt, das wie PluSZ der SZ beigelegt wird. Die Konzeption dieses Produktes erfolgt unter Vermarktungsgesichtspunkten, um dessen Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.«

Auf gut Deutsch: Ein Nachfolgeprodukt soll als Verlagsbeilage produziert werden, also zu 100 Prozent werbefinanziert, betreut von einem einzigen festfreien Redakteur, der für dann 16 Seiten pro Woche verantwortlich ist. Unter Zuhilfenahme von zwei Freien für mariginale Zuarbeiten ist der »Alleinredakteur« dann zuständig für Bühne, Musik, Kunst und Film, aber auch für die Akquise von werbefinanzierten Texten und Veranstaltungs- sowie Kinodaten. Wie kompetent kann der da noch sein? Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat der dann noch? Und wie viele bisherige PluSZ-ler beißen ins Gras?

Texte, die dort erscheinen, werden Promo-Texte der Veranstalter sein. Kleine Klubs mit minimalen Finanzmitteln dürften dann – je nach Preisen – in diesem Werbeblättchen nur noch kaum oder überhaupt nicht mehr vorkommen.

Wer mehr Geld ausgeben kann, kriegt mehr Text.

Wohin das führen kann, konnte man in den letzten Jahren sehen, als ein Jazzveranstalter Titelseiten und Anzeigen bei Dresdner Medien gleich in Serie kaufte, um für sein dürftiges »Festival« zu werben – mit dem Ergebnis, das qualitativ bessere und anspruchsvollere Angebote anderer, aber nicht annähernd so finanzkräftiger Veranstalter ins Aus des öffentlichen Bewusstsein gedrängt und Qualitätsmaßstäbe völlig verzerrt wurden.

Die Aufgabe der bisherigen PluSZ-Beilage zugunsten eines auf Schmott konzipierten Werbeblättchens begünstigt die Verlagerung des (eigentlich legitimen) Wettbewerbes der Veranstalter um Publikum von der Ebene der künstlerischen Qualität auf die Ebene der Finanzkraft.

Aber: Ob dieser Schritt aus der Sicht seiner Initiatoren zum Ziel führt, bleibt fraglich. Wenn ohnehin nur abgedruckt wird, was Veranstalter bezahlt haben, kann man sich als Leser und Veranstaltungstipp-Sucher auch gleich per Internet, E-Mail-Rundbrief-Abo und RSS-Feed direkt bei den Veranstaltern informieren. Das geht heutzutage mit ein, zwei oder drei Klicks am Computer oder mit dem Smartphone und erbringt sogar noch aktuellere Ergebnisse als bei Nutzung eines Wochenblattes.

Was die PluSZ und überhaupt eine seriöse Zeitung ausmacht(e), sind die journalistische und sachliche Kompetenz, die Souveränität und die Kritikfähigkleit der Journalisten. Die haben den nötigen Überblick, die Fachkenntnis und den kritischen Geist, sie werden genau deswegen von der Leserschaft wertgeschätzt. Denn sie bewerten nämlich das, was an Veranstaltungstipps in die Welt »gepresst« wird, geben Orientierung und helfen dem »Kultursuchenden«, einen jeweils individuellen Weg durch den Kulturdschungel zu finden. Leser honorieren Niveau und lesen nach Autorennamen.

Genau dieses Plus (um fast beim Beilagentitel zu bleiben) soll nun bald der Leserschaft vorenthalten werden?

Vielleicht jedoch ist dies eine Chance für die Konkurrenz? Und damit doch noch eine für das Publikum?

Mathias Bäumel

Montag, 28. November 2011

Gonzalo Rubalcaba debütierte in Dresden schon 1992 – natürlich in der »Tonne«

(Dresdner Neueste Nachrichten, 5. Juni 1992, Seite 10, Ausriss)

Die diesjährigen Dresdner Jazztage lockten das Publikum auch mit einem besonderen Angebot. Auf der Webseite des Veranstalters wurde behauptet, der Pianist Gonzalo Rubalcaba gäbe zur Piano-Nacht am 10. November 2011 sein »Dresden-Debüt« (Web Site aufgerufen am 28. November 2011).

Das jedoch ist falsch. Der Kubaner spielte bereits etwa 19 Jahre früher erstmals in Dresden, natürlich in der »Tonne«!

Übersehen oder gar vergessen konnte man den damaligen Dresdner Auftritt Gonzalo Rubalcabas am 3. Juni 1992 nicht, denn das Konzert war sogar als »Highlight des Monats« ausgewiesen.
Geplant war die Show des 1963 in Havanna geborenen kubanischen Starpianisten im Trio zusammen mit dem Bassisten Charlie Haden und dem Perkussionisten Julio Baretto. Doch die beiden Mitmusiker sagten urplötzlich wegen einer kurzfristigen Erkrankung Hadens ab.

Das auf diese Weise zum Solo-Auftritt gewordene Konzert sorgte für Begeisterungsstürme und erhielt eine überschwängliche Presse.

Die Dresdner Neuesten Nachrichten nahmen Bezug auf den krankheitsbedingten Wegfall Hadens und feierten Rubalcaba in der Ausgabe vom 5. Juni 1992 mit der Überschrift »Rubalcaba braucht keinen Haden – Faszinierendes Konzert des Kubaners in der Tonne«.
Und der Rezensent weiter: »Getragenes, Wohlüberlegtes, eindeutig Akzentuiertes war die Stärke des Spiels des Kubaners. Langsam fallende Melodielinien, die häufig von energischen Stopps aufgefangen wurden, kennzeichneten nicht selten die meist ins Moll sich entwickelnden Stücke. Ernsthaftigkeit und Kalkül überwogen bei weitem das Spielerische, und dennoch entstand nie der Eindruck des Konstruierten. ... Wie faszinierend Rubalcaba die Balance zwischen Ambition und Vergnügen hielt, zeigte sich auch an seinem Umgang mit musikalischen Zitaten. Während andere Musiker Zitate nutzen, um mit dem zu Klang gewordenen Wissen um die Jazzgeschichte zu brillieren, lässt Rubalcaba Zitate nur so kurz – man könnte fast ›impressionistisch‹ sagen – anklingen, dass sie eine eher atmosphärische Wirkung haben. ... «

Zurück zur aktuellen Behauptung des Jazztage-Veranstalters. Der nämlich war 1992 noch kein Dresdner. Vielleicht suchte er nach einem Superlativ, um sein Rubalcaba-Konzert besser bewerben zu können. Vielleicht kam ihm dabei eine Denkweise des »Ersten, Größten, Besten« am nächsten. Vielleicht hat er einfach angenommen, der Pianist könne früher ja noch gar nicht in Dresden gewesen sein. Vielleicht hat er sogar beim Agenten des Künstlers nachgefragt, der ihm das vielleicht sogar bestätigte. Vielleicht fand diese Behauptung auf diese Weise den Weg ins Werbematerial. Von hier wird unkritisch übernommen, schnell formuliert, nachgeplappert – von Journalisten, die die Dresdner Szene von 1992 ebenfalls nicht aus eigenem Erleben kennen konnten …

Und so erhält eine Falschmeldung den Status einer seriösen Information – eigentlich von niemandem so recht verschuldet. Zum Vorteil für die einen und zum Nachteil für die anderen.

Dass ein kommerziell arbeitender Veranstalter viel Geld in die Hand nimmt, um gute Musik in die Stadt zu holen, ist keine schlechte Sache. Dass aber früher wie heute auch gemeinnützige Vereine hart arbeite(te)n, um mit sehr geringen Finanzmitteln künstlerisch Exzellentes und Innovatives ans Licht der Öffentlichkeit zu heben, sollte auf keinen Fall vergessen oder gar verschwiegen werden.
Im Gegenteil: Gerade das sollte besonders herausgehoben werden.

Doch diese Vereine – in diesem Falle auch die »Tonne« – spüren ständig die Folgen ihres Handelns. Sie können die schnell steigenden Gagen ihrer »Entdeckungen« nicht mehr bezahlen – die öffentlichen Meriten erhalten nicht selten andere.

Mathias Bäumel

Freitag, 21. Oktober 2011

Exquisites für Kino-Freunde: Andreas Körner im Gespräch mit Bohdan Sláma

Am Sonntag, den 23. Oktober 2011, gibt es im Dresdner Programmkino Ost etwas wirklich Exqusites:

In der neuen Veranstaltungsreihe KÖRNERS CORNER erleben wir ab 17.30 Uhr den bekannten Kultur- und Filmjournalisten Andreas Körner im Gespräch mit dem tschechischen Regisseur Bohdan Sláma. Eine einmalige Gelegenheit, direkt und authentisch mehr über die Arbeit dieses Regisseurs der mehrfach preisgekrönten (aber selten gespielten) Filme »Der Dorflehrer« und »Die Jahreszeit des Glücks« zu erfahren und ihm auch persönlich zu begegnen.
Genaueres hier.

Zuvor und danach kann man sich noch einmal (oder erstmalig) die beiden wichtigsten und wirklich beeindruckenden Sláma-Filme anschauen, die durch einen feinsinnigen, schmerzenden, warmherzigen, melancholisch anmutenden Realismus bestechen:

15 Uhr: »Der Dorflehrer«

19.30 Uhr: »Die Jahreszeit des Glücks«

Alles sehr empfehlenswert!

M. B.

Montag, 17. Oktober 2011

Vom Armeemuseum zur Antikriegs-Show

Was und wer hinter der neuen Dauerausstellung des Militärhistorischen Museums steckt

(Waren zuständig für Konzeption und Gestaltung der neuen Ausstellung des Militärhistorischen Museums in Dresden: Barbara Holzer und HG Merz. – Foto: HG Merz Architekten Museumsgestalter / Lukas Veltrusky)

Der Berg an Aufgaben für die Ausstellungsmacher des Militärhistorischen Museums schien gigantisch. Etwa 8000 Exponate, von ganz kleinen bis zu sehr großen, von der kleinsten Anstecknadel über die Feldpostkarte bis zur »V-2« und einer Raumkapsel, mussten zu einer auf 10.000 Quadratmetern Fläche präsentierten Ausstellung komponiert werden, die der Besucher auf einem über 1350 Meter langen Rundgang »erlaufen« kann.

Konzeption und Gestaltung lagen in der Verantwortung eines externen Teams, das nach einem Wettbewerbsverfahren gefunden wurde: die Arbeitsgemeinschaft HG Merz Architekten Museumsgestalter und Holzer Kobler Architekturen erhielt dafür den Zuschlag. »Aufgabe war es«, so Barbara Holzer, eine der beiden Chefs von Holzer Kobler Architekturen, »die inhaltliche Neuausrichtung des Museums in ein räumliches, mit dem Gebäude korrespondierendes Konzept zu übersetzen und als Ausstellung zu inszenieren. «

Allein die Sichtung der im bisherigen Museum vorhandenen Objekte und die Überlegungen zu deren Eignung für die künftige Ausstellung erforderten in den Jahren 2006 und 2009 zwei ausführliche, je mehrere Monate dauernde Analyserundgänge durch den Bestand der Objekte. Daran anknüpfend folgten die – zunächst gedankliche – Anordnung all dieser Exponate in Vitrinen, auf weiteren Präsentationsplattformen und die Zuordnung zu Räumen nach vorgegebenen »Drehbüchern«, die Auswahl und die Beschaffung von Ergänzungsexponaten (wenn die vorhandenen Objekte für die Realisierung einer Idee nicht genügten) sowie das Entwickeln von technischen Machbarkeitsideen. Das Gewicht eines Panzers musste baustatisch ebenso berücksichtigt werden wie logistisch der Transport einer etwa 14 Meter hohen V-2 innerhalb der Gänge und Treppen.
Auch die Beschriftung von mehreren tausend räumlich-geometrisch völlig verschiedenartigen Exponaten ist eine Mammutaufgabe, die organisiert sein wollte – insbesondere, da die dazugehörigen Texte nicht einfach schon vorlagen, sondern teilweise im Kampf zwischen Formulierungskürze und Erklärungsehrgeiz den wissenschaftlichen Partnern abgerungen werden mussten.

Das Ganze war in planerischer, organisatorischer und ausstellungsbaulicher Sicht eine Herausforderung, vor der hier in Dresden in dieser Weise wohl noch kein anderes Museum stand. Für den Erfolg war Barbara Holzer zufolge »der intensive Austausch und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten über mehrere Jahre hinweg entscheidend«. Zu denen gehörte, so Holzer, neben den Ausstellungsgestaltern, Architekten und dem Museumsteam auch ein wissenschaftlicher Beirat.

Eine Herausforderung war auch die veränderte Grundaussage der nunmehrigen Ausstellung im Vergleich zur früheren. Es ist nun kein »Armeemuseum« mehr. Aber ist es ein »Antikriegs-Museum«? Barbara Holzer: »Diese besondere Darstellung der Militärgeschichte als Teil der Kulturgeschichte lässt sich schwer einordnen, da es nicht mit einem klassischen historischen Museum und auch nicht mit einem typischen militärgeschichtlichen Museum vergleichbar ist.« Der von Daniel Libeskind entworfene Neubau (Keil) habe dabei ganz einzigartige Möglichkeiten geboten, unkonventionell zu arbeiten, beispielweise durch die sogenannten vertikalen Vitrinen, die großformatige Exponate und Blickbeziehungen zwischen den verschiedenen Themenbereichen ermöglichen.
Konsequenz des jetzigen Konzeptes ist, dass nun auch Fragen aufgeworfen werden. Ist die attraktive Antikriegs-Show der Schafspelz um den oder der Spiegel vor dem Wolf? Oder verdeutlicht sie, dass der Wolf eigentlich ein Schaf ist? Fragen, die das Vorgängermuseum nicht provoziert hat.

Das Büro Holzer Kobler Architekturen aus Zürich gehört zu den international anerkannten Architekturbüros mit einem breit gefächerten Tätigkeitsfeld, das von Städtebau und Architektur bis zu Szenografie und Ausstellungsgestaltung reicht..

Zu den Erfolgen der letzten Jahre zählen unter anderem das mehrfach ausgezeichnete Besucherzentrum und Aussichtsturm Arche Nebra (2007), mit dem das Büro in Deutschland bekannt wurde, sowie die Dauerausstellungen des Weltnaturerbes Grube Messel (2010). Darüber hinaus gehören zu den Erfolgen in der Schweiz die neue Dauerausstellung im Schweizerischen Landesmuseum (2009) sowie die städtebauliche Planung und Umsetzung für das Suurstoffi Areal in Risch-Rotkreuz mit Funktionen wie Verkauf, Wohnen, Büro.

Mathias Bäumel

(Dies ist ein im Auftrag der Dresdner Neuesten Nachrichten geschriebener Beitrag, der dort auch – leicht gekürzt – in der Ausgabe vom 15./16. Oktober 2011 erschienen ist. Hier der vollständige Text.)

Dienstag, 5. Juli 2011

Wie der Dresdner Sophienkeller Werbung für Sachsen und Dresden macht

(Dresdner Sophienkirche 1880 – rechts – hinter dem Kronentor des Zwingers. Foto: Wikipedia/n/a)

Ort der Handlung: Sophienkeller Dresden.
Zeit: 4. Juli 2011.

Etwa zwölf Personen waren zu einer Geburtstagsfeier in den dortigen »Alchimistenkeller« zum sogenannten Alchimistenschmaus eingeladen – bekommen haben sie nachlässig und unprofessionell dargebotenen Lieblosfraß und ein schmerzendes Beispiel für dummdreiste Geschichtsvermittlung.

Das Essen:

Der »Salat« bestand ganz überwiegend aus rohen Gemüsestücken (Tomate, Zucchini, Gurke), die in eine halbe Paprikaschote gestopft waren. Drumherum das übliche Billig-Allerlei aus ein paar Oliven und eingelegten Peperoni aus dem Glas oder der Plastikpackung. Zwar auf der Karte extra hervorgehoben, befand sich auf meinem Teller lediglich eine einzige, in Ringe zerfallene Scheibe einer roten Zwiebel. Das Ganze war der »Salat« … Zur Erinnerung: Der Begriff »Salat« kommt vom französischen »salade« oder dem italienischen »insalata« her und bedeutet ursprünglich »eingesalzen«, also mit Salz haltbar gemachte oder – im erweiterten Sinne – gewürzte, angemachte Speise. Eine »köstliche Salatsoße« – wie auf der Karte versprochen – war jedoch nirgends auf dem Tisch zu sehen, auch Olivenöl und Essig nicht, Pfeffer- und Salzstreuer funktionierten nur kläglich bzw. waren leer.

Die Suppe im Brotteller (halb Blumenkohl – weiß, halb Broccoli – grün) in den »sächsischen Landesfarben« war genießbar, wenngleich leicht versalzen, und erinnerte an den Geschmack von Brühwürfeln. Trotzdem fühlt man sich für dumm verkauft, denn zu Lebzeiten Augusts des Starken, um die es thematisch überall im Sophienkeller geht, waren Schwarz und Gelb die sächsischen Landesfarben; erst nach 1815 erhielt das Königreich Sachsen die Farben Weiß-Grün …

Und der Hauptgang? Der stand nach einer »Führung« der Gäste durch den Sophienkeller bereits auf den Essensplätzen, kalt statt – wie die Karte verspricht – »heiß serviert«. Die am Spieß befindlichen Wildmedaillons waren zudem keineswegs immer weich und saftig. In der Mitte des Tisches lagerte eine riesige Pfanne wie bei einer Soldatenfütterung im Feldlager, sie enthielt verschiedene fad schmeckende Gemüse und Sättigungsbeilagen in einer solch großen Menge aufgehäuft, dass – nach den Brottellern der Suppe spätestens jetzt – der Eindruck entstand, der Sophienkeller hätte einen Vertrag mit einer Schweinemästerei. Dass der Nachtisch aus ein paar Früchten und einer klebrigen, eklig übersüßen Schokomasse bestand, die weit entfernt von den Standards einer »heißen Schokolade« war und nie flüssig wurde, weil die Teelichter immer wieder erloschen, soll noch erwähnt werden.

Die »Führung«:

Noch einmal zurück zur ominösen »Führung« durch die Gewölbe des Sophienkellers … Was da Kellnerin »Magd Martha« von sich gab, war an Dummdreistigkeit nicht zu überbieten. Der Sophienkeller sei nach der früheren Sophienkirche benannt. So weit, so gut. Die Sophienkirche sei im Krieg so sehr zerstört worden, dass sie unmöglich wieder aufgebaut werden konnte. Hier traute man seinen Ohren nicht. Nicht wieder aufgebaut werden konnte? Kein Wort davon, dass diese bedeutende Kirche – sie war das letzte mittelalterliche Gebäude Dresdens – nach 1945 durchaus hätte gerettet werden können, dass es nationale und internationale Proteste gegen den von der SED-Politik verordneten Abriss gegeben hatte und dass heutzutage nur wenige Meter vom Sophienkeller entfernt mit dem Bau der Gedenkstätte Bußmannkapelle an den barbarischen Abriss der Sophienkirche erinnert wird. Die »Magd Martha« als Gesinnungsvollstreckerin altstalinistischer Propaganda … Als »Martha« dann kühn erklärte, die Kirche habe ihren Namen nach einer Heiligen namens Sophia erhalten (in Wirklichkeit war die Kurfürstenwitwe Sophie von Brandenburg Namenspatronin des Gotteshauses), war das Maß eigentlich schon übervoll… Dass es dann noch dicker kam, konnte man nur noch mit bitterem Humor ertragen. August der Starke sei die einzige Figur, die im Fürstenzug den Betrachter direkt anschaue (vom Gegenteil kann sich jeder Betrachter überzeugen), er habe ja nur ans Fressen und Saufen gedacht, sich aber um Politik und militärische Stärke nicht gekümmert. Deswegen habe er sein großes Festlager in Zeithain abgehalten.

Ein Gutes hatte der Abend dennoch: Nun wissen wir, welches Bild von Dresden und der sächsischen Vergangenheit den Touristen vermittelt wird. Gastronomisch, kulturell, historisch.
Darauf dann doch ein Radeberger (das dort, selbstgezapft, im Laufe der Stunden immer wärmer wurde)! Prost!

Montag, 7. März 2011

Dynamo als Dresden-Botschafter, nicht als unseriösen Krawall-Klub sehen

(Quelle: Dynamo Dresden)

Sommer 2009. Im bulgarischen Weliko Tarnowo versuche ich dem etwa 35-jährigen Besitzer der kleinen Pension zu erklären, woher ich komme: »Dresden.« – »Ah – Dynamo Dresden!«, war die strahlende Antwort.
Ähnliches lief einige Tage später im albanischen Shëngjin ab – »Oh, Dynamo Dresden!« rief der junge Mann, diesmal keine dreißig, spontan aus, als ich seine Frage nach meiner Heimatstadt beantwortete.

Dresden ist eine kleine Stadt, aber auch München ist in Amerika, Südafrika oder Asien nicht wegen der Pinakotheken und der Oper bekannt, sondern – ob das dem Kunstliebhaber nun gefällt oder nicht – wegen des Hofbräuhauses und Bayern München.

Wenn man es in Sachsens Kleinresidenz ernst meint mit einem zukunftsorientierten Dresdner Selbstverständnis und einem schlüssigen Marketingkonzept, sollte man Dynamo Dresden nicht wie ein ungeliebtes Stiefkind behandeln, dem man unwillig und unter Drohungen aus der Patsche hilft. Man sollte den Verein ernst nehmen, dessen Möglichkeiten positiv sehen, dessen Arbeit wohlwollend aktiv mitgestalten und unterstützen sowie dessen Potenzial als weltweiten Dresden-Botschafter erkennen und nutzen.

Doch zunächst gedanklich zwei Jahre zurück. Die Dynamos hatten 2009 – trotz damals schlechter Platzierung – mit etwa 13.500 den besten Zuschauerdurchschnitt in der 3. Liga; mit diesem Wert hätten sie in der 2. Bundesliga fast einen Mittelplatz in der Zuschauerstatistik belegen können. Das zeugt von der hohen Verbundenheit der Dresdner mit ihrer Mannschaft. Und es zeigt, welche Potenzen Dynamo auf dem erwünschten Weg nach oben hat, die auch zugunsten der Stadt genutzt werden sollten.

Es schien absurd, dass trotz dieser Rekordwerte die Existenz der Profimannschaft immer wieder gefährdet war – weil die Stadt Dresden dem „eigenen“ Verein, der sich zu einem international erfolgreichen Dresden-Botschafter hätte entwickeln können, die Luft zum Atmen abdrückte, denn für die Nutzung des Dynamo-Stadions (mittlerweile »Glücksgas-Stadion«) wird eine Miete verlangt, die mehr als zehnmal so hoch ist wie der Durchschnitt in der 3. Liga (Stand 2009 – Angaben nach Stadionwelt).

Die damals vom Finanzbürgermeister Vorjohann aufgemachte Forderung, man müsse die durch das neue Stadion ermöglichten Mehreinnahmen dagegen rechnen, erinnert an realsozialistische Wirtschaftspolitik. Mehreinnahmen waren in der DDR nach oben abzuführen und konnten nicht für eigene Investitionen genutzt werden. Die Betriebe konnten strampeln wie sie wollten, eine reale Chance hatten sie nicht.

Dass solche Mehreinnahmen Dynamo-geboren sind, ist allein schon angesichts der großen Zuschauerzahlen klar. Und dass Dynamo mehr Einnahmen dringend benötigt, vor allem für Investitionen im sportlichen Bereich, wird gerade jetzt deutlich, da – wie es aussieht – kaum ein zweitligatauglicher Spieler bei Dynamo gehalten werden kann; zum jetzigen Zeitpunkt (4. März 2011) ist Strifler bereits weg, und Hübener, Esswein, Schahin, Jungwirth und Fiél sind wohl kaum zu halten. Das hieße: Die Tretmühle der dritten Liga ginge weiter – für alle Beteiligten, auch für die Stadt, eine Sisyphos-Arbeit und ein finanzieller Balanceakt. Aber erst wenn Dynamo konstant zum vorderen Drittel der 1. Bundesliga gehört, kann der Verein seine Dresden-Botschafter-Funktion sogar weltweit erfüllen, gleichzeitig aber eine Stadionmiete wie im Fußball-Oberhaus üblich zahlen – beides zugunsten der Stadt.

Unterdessen hat sich Anfang März 2011 etwas getan: Die Stadt Dresden will für die kommenden zwei Spieljahre jährlich 3,29 Millionen Euro zu den Mietkosten für das Glücksgas-Stadion »zuschießen«. Das ist jährlich eine Million mehr als bisher, was für Dynamo Entwicklungsmöglichkeiten schafft, die nun verantwortungsvoll und zügig genutzt werden müssen.

Trotz dieser positiven Nachricht bleiben Zweifel: Noch immer klingt in den Diskussionen die Auffassung durch, hier werde einem unseriösen Krawallklub aus der selbstverschuldeten Patsche geholfen, und dies ungern und wegen der vorhandenen Zwänge nur notgedrungen.

Ginge es nach einigen Stadtpolitikern, würden Dresdner, in Albanien, Bulgarien, Italien, Südafrika oder den USA nach ihrem Woher befragt, sogar 2020 noch die niederschmetternde Gegenfrage zur Antwort erhalten: »Dresden – what fucking jerkwater town is it?« Und ein paar Freizeitkicker mit dem D auf der Brust würden in der Stadtliga dem Ball hinterher rennen.

Juni 2020. Hotel »Malibran« in Venedig, Hotel »Bairro Alto« Lissabon, beim Ökobauernhof Abram auf dem slowenischen Nanos, im Gastraum des Valtelehofs im Südtiroler Passeiertal, im Café »Mondial« in Tirana, im »Magnaura«-Café in Istanbul, ja sogar in der Pförtnerloge eines Londoner Parkhauses – überall flackern und leuchten auf den Fernsehbildschirmen im Sportprogramm ein und dieselben Bilder: Man sieht den Dresdner Altmarkt, vollgestopft mit zehntausenden jubelnden Menschen, im Hintergrund der Balkon des Kulturpalastes, auf dem die Dynamo-Spieler den Meisterpott hochhalten, und der 74-jährige Guus Hiddink ruft nach seinem allerletzten Spiel als Trainer mit sich vor Freude überschlagender Stimme ins Mikrofon: »Heute sind wir die Besten von Deutschland, und nächstes Jahr – vielleicht – von ganz Europa!« Dann geht seine Stimme im Jubellärm unter.

Mathias Bäumel