(Dresdner Sophienkirche 1880 – rechts – hinter dem Kronentor des Zwingers. Foto: Wikipedia/n/a)
Ort der Handlung: Sophienkeller Dresden.
Zeit: 4. Juli 2011.
Etwa zwölf Personen waren zu einer Geburtstagsfeier in den dortigen »Alchimistenkeller« zum sogenannten Alchimistenschmaus eingeladen – bekommen haben sie nachlässig und unprofessionell dargebotenen Lieblosfraß und ein schmerzendes Beispiel für dummdreiste Geschichtsvermittlung.
Das Essen:
Der »Salat« bestand ganz überwiegend aus rohen Gemüsestücken (Tomate, Zucchini, Gurke), die in eine halbe Paprikaschote gestopft waren. Drumherum das übliche Billig-Allerlei aus ein paar Oliven und eingelegten Peperoni aus dem Glas oder der Plastikpackung. Zwar auf der Karte extra hervorgehoben, befand sich auf meinem Teller lediglich eine einzige, in Ringe zerfallene Scheibe einer roten Zwiebel. Das Ganze war der »Salat« … Zur Erinnerung: Der Begriff »Salat« kommt vom französischen »salade« oder dem italienischen »insalata« her und bedeutet ursprünglich »eingesalzen«, also mit Salz haltbar gemachte oder – im erweiterten Sinne – gewürzte, angemachte Speise. Eine »köstliche Salatsoße« – wie auf der Karte versprochen – war jedoch nirgends auf dem Tisch zu sehen, auch Olivenöl und Essig nicht, Pfeffer- und Salzstreuer funktionierten nur kläglich bzw. waren leer.
Die Suppe im Brotteller (halb Blumenkohl – weiß, halb Broccoli – grün) in den »sächsischen Landesfarben« war genießbar, wenngleich leicht versalzen, und erinnerte an den Geschmack von Brühwürfeln. Trotzdem fühlt man sich für dumm verkauft, denn zu Lebzeiten Augusts des Starken, um die es thematisch überall im Sophienkeller geht, waren Schwarz und Gelb die sächsischen Landesfarben; erst nach 1815 erhielt das Königreich Sachsen die Farben Weiß-Grün …
Und der Hauptgang? Der stand nach einer »Führung« der Gäste durch den Sophienkeller bereits auf den Essensplätzen, kalt statt – wie die Karte verspricht – »heiß serviert«. Die am Spieß befindlichen Wildmedaillons waren zudem keineswegs immer weich und saftig. In der Mitte des Tisches lagerte eine riesige Pfanne wie bei einer Soldatenfütterung im Feldlager, sie enthielt verschiedene fad schmeckende Gemüse und Sättigungsbeilagen in einer solch großen Menge aufgehäuft, dass – nach den Brottellern der Suppe spätestens jetzt – der Eindruck entstand, der Sophienkeller hätte einen Vertrag mit einer Schweinemästerei. Dass der Nachtisch aus ein paar Früchten und einer klebrigen, eklig übersüßen Schokomasse bestand, die weit entfernt von den Standards einer »heißen Schokolade« war und nie flüssig wurde, weil die Teelichter immer wieder erloschen, soll noch erwähnt werden.
Die »Führung«:
Noch einmal zurück zur ominösen »Führung« durch die Gewölbe des Sophienkellers … Was da Kellnerin »Magd Martha« von sich gab, war an Dummdreistigkeit nicht zu überbieten. Der Sophienkeller sei nach der früheren Sophienkirche benannt. So weit, so gut. Die Sophienkirche sei im Krieg so sehr zerstört worden, dass sie unmöglich wieder aufgebaut werden konnte. Hier traute man seinen Ohren nicht. Nicht wieder aufgebaut werden konnte? Kein Wort davon, dass diese bedeutende Kirche – sie war das letzte mittelalterliche Gebäude Dresdens – nach 1945 durchaus hätte gerettet werden können, dass es nationale und internationale Proteste gegen den von der SED-Politik verordneten Abriss gegeben hatte und dass heutzutage nur wenige Meter vom Sophienkeller entfernt mit dem Bau der Gedenkstätte Bußmannkapelle an den barbarischen Abriss der Sophienkirche erinnert wird. Die »Magd Martha« als Gesinnungsvollstreckerin altstalinistischer Propaganda … Als »Martha« dann kühn erklärte, die Kirche habe ihren Namen nach einer Heiligen namens Sophia erhalten (in Wirklichkeit war die Kurfürstenwitwe Sophie von Brandenburg Namenspatronin des Gotteshauses), war das Maß eigentlich schon übervoll… Dass es dann noch dicker kam, konnte man nur noch mit bitterem Humor ertragen. August der Starke sei die einzige Figur, die im Fürstenzug den Betrachter direkt anschaue (vom Gegenteil kann sich jeder Betrachter überzeugen), er habe ja nur ans Fressen und Saufen gedacht, sich aber um Politik und militärische Stärke nicht gekümmert. Deswegen habe er sein großes Festlager in Zeithain abgehalten.
Ein Gutes hatte der Abend dennoch: Nun wissen wir, welches Bild von Dresden und der sächsischen Vergangenheit den Touristen vermittelt wird. Gastronomisch, kulturell, historisch.
Darauf dann doch ein Radeberger (das dort, selbstgezapft, im Laufe der Stunden immer wärmer wurde)! Prost!