Dresden: Die Waldschlösschenbrücke. (Foto: M. B.)
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Montag, 26. Oktober 2009

Ein neues Corporate Design der Semperoper sollte angemessen und gut durchdacht sein

Man mag ob der neuen Logos und Corporate Designs von Schauspielhaus und Musikfestspielen geteilter Meinung sein. Im ersteren Fall löst das aktuelle uninspirierte, eigentlich unbenutzbare und in einigen Punkten geradezu nachlässige Design ein ähnlich müdes (die zwei Pfeile) ab. Aber auch die ältere Internetseite des Schauspielhauses war grässlich, und in ihrer Kundenfeindlichkeit eigentlich nicht zu entschuldigen. Im zweiten Fall wurde das schon etwas verstaubte Siebziger-Jahre-Logo der Festspiele durch ein frisches (huiii) abgelöst (mein Kompliment dafür, auch wenn es nicht jedem gefällt); schade nur, dass hier gleichzeitig mit verschiedenen Schriften Schlimmes angestellt wurde und die aktuellen Trendfarben zwischen Brombeer und Bordeaux-Lila zum x-ten Mal bemüht wurden. (Mathias Bäumel hatte übrigens am 9. September 2008 eine kurze Kritik des damals neuen Musikfestspiel-Designs als Zwischenruf hier auf „Musik in Dresden“ veröffentlicht.)

Glaubt man jedoch ersten Schreckensmeldungen, so droht in zwei Jahren mit Amtsantritt der neuen Intendantin der Semperoper, Ulrike Hessler, dem Corporate Design des Hauses geradezu Fürchterliches. Dem durch rechtzeitiges Sensibilisieren vorzubeugen, versucht dieser Text.

Das aktuelle Design der Semperoper und der angrenzenden Marken (Staatskapelle, Ballett) ist Ergebnis einer Reihe von vorsichtigen bis wagemutigen, aber immer klugen Veränderungen, ja, Verbesserungen. Mit dem leisen „Claim“ der Staatskapelle (ohne geht's heutzutage leider nicht mehr) „Glanz und Klang seit 1548“ an der Seite ist auch die Semperoper selbst zur wiedererkennbaren Marke geworden. Nobel, edel, vornehm, zurückhaltend, festlich, etwas besonderes, „der Klang von altem Gold“ (Karajan!) - solche Vokabeln entern gemessenen Schrittes die Hirnbahnen, liest man sich durch das nach anfänglichen Ausfällen wirklich gut gemachte „semper!“-Magazin, blättert im alljährlich wunderbar sensibel erneuerten Jahresheft der Oper oder streicht über die (ja!) wertigen Jahreshefte der Kapelle. Neidlos erkennen da Dresdner Designer und Layouter an, was für exzellente Arbeit die Agentur von Jacqueline und Dominik Schech hier leistet. Und, ja, es gab und gibt auch bei aktuellen Merchandising-Ideen der Oper immer wieder Ausfälle (was soll uns etwa eine Semperoper-Schirmmütze?), aber der Gesamteindruck stimmt, wozu auch die ästhetisch stets hochklassigen, wiedererkennbaren Fotos von Matthias Creutziger wesentlich beitragen. Herrlich zum Beispiel das Oper-Jahresheft 2008, mit den großformatigen „Verführungen““ – ein Traum, und bis ins kleinste Detail passend zu Stil und Gangart des Hauses.

Nun hat Mathias Bäumel kürzlich polemisch kritisiert, dass jeder neue, auf Zeit eingesetzte Intendant eines Hauses zuerst mit eisernem Besen alle bisherigen Außenwirkungen des Hauses wegkratzt und ein eigenes Design, eine eigene „Handschrift“ mitbringt. Ich würde anfügen: Schade ist es da in vielen Fällen um das sinnlos herausgepustete Geld. Für die grotesk dümmliche Scholz-und-Friends-Aktion „Studieren in Fern-Ost“, über die sich alle, die damit je in Kontakt kamen, lautstark aufregen (was von den Machern zähneknirschend als Erfolg verkauft wird), zahlte der Auftraggeber sage und schreibe sechs Millionen Euro. Wie vielen Studienanfängern hätte man dafür ein Stipendium zahlen können, wie viele kleine, nette Campus-Cafés mit Gratis-Espresso-Automaten ausstatten können?

Um endlich zum Punkt zu kommen: ich habe schon heute Angst vor dem neuen Design der Semperoper. Jeder große, vermeintlich mutige Schritt weg von der aktuellen Anmutung wird ein Rückschritt sein und muss den Rezipienten zwangsläufig enttäuschen, wenn nicht aufregen. Neue „Claims“, von Werbeagentur-„Hirnis“ für teures Geld in Nachtsitzungen ausgeschwitzt, werden über uns hereinbrechen – und nicht annähernd das wiedergeben können, was die Semperoper und die ihr innewohnende Staatskapelle längst ist: allgemein im Bewusstsein verankertes Hochkulturgut. Nehmen wir nur die aktuellen Programmhefte: handtaschenschmeichelndes Format, gut zu lesen, alle Infos drin, dezente Farb- und Fotoauswahl, gute Gliederung, lesbare Texte, wiedererkennbares Cover, das Spiel- und Freiräume lässt für die Wiedererkennbarkeit von Reihen ("Lied in der Semperoper") und Themen.

Bitte, bitte, Frau Intendantin in spe: bitte lassen Sie den eisernen Besen im Wandschrank. Bitte zerstören Sie nicht das langsam, aber stetig gewachsene Vertauens- ja: Sympathieverhältnis der Dresdner und der auswärtigen Besucher zum Mythos Semperoper. Lassen Sie sich nicht zu modischen Peinlichkeiten, zu allzu pompösen neuen Claims, gar zu einer „frischen, neuen Lesart“ hinreißen. Stecken Sie das viele Geld lieber erst einmal in eine Renovierung der Toiletten des hinteren Gebäudekomplexes. Statten Sie den Chorprobensaal mit passendem Gestühl und die Garderoben mit vielen netten Garderobieren aus. Kümmern Sie sich bitte um eine zeitgemäßere Präsentation der Preziosen, der Andenken, der historischen Vitrinen, um eine passende Hängung der temporären Ausstellungen wie der stets etwas schief hängenden Ölgemälde in den Foyers. Stoßen Sie meinetwegen auch mal ein paar verstaubte Statuen von ihren Sockeln im Parterre und sorgen Sie ruhig dafür, dass man in den Bars und im Theatercafé kaltes Bier und guten Kaffee bekommt.
Aber bitte: Gehen Sie die sicherlich anstehende Überarbeitung des öffentlichen Auftritts des Hauses, des Logos, der Schriften, der Internetseite mit Köpfchen und dem nötigen Quentchen Ur-Dresdner Ruhe an. Alles andere wird Ihren eigenen wie den Ruf des gesamten Hauses unnötig und nachhaltig schädigen.

Martin Morgenstern


„Wir sind Papst“ – diese Schlagzeile der Bild-Zeitung vom 20. April 2005 schuf unter den Lesern des Massenblattes ein Gemeinschaftsgefühl und Stolz auf eine Leistung, die die Bürger selbst gar nicht vollbracht hatten. Das Spiel mit der Sehnsucht nach dem Dazugehören hilft eben, Zeitungen zu verkaufen.

Der an massenhaft gebräuchliche Formulierungen wie „Wir sind Weltmeister!“ angelehnte Satz wurde vielfach sinngemäß „nachgenutzt“ und wurde zum Symbol für flapsiges, Inhalte verkürzt wiedergebendes Formulieren, um den einfachen Mann auf der Straße zu erreichen. In Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft 2006 titelten einige österreichische Medien „Wir sind Präsident!“, nach Nobelpreisen für deutsche Forscher hieß es „Wir sind Nobelpreis“ und nach den Gewinnen des Oscars für den besten fremdsprachigen Film an einen Deutschen (2007) und an einen Österreicher (2008) hieß es jedes Mal „Wir sind Oscar!“.

Wenn die Dresdner Philharmonie einen Grammy gewonnen hätte und Dresdner Medien würden dann „Wir sind Grammy!“ titeln, zeugte das - nach so vielen Malen der Be- bzw. Abnutzung - zwar von Einfallslosigkeit, entspräche aber wenigstens der Logik der Originalformulierung.
Würde aber der Dresdner Zoo mit der Formulierung „Wir sind Zoo!“ und einem Foto werben, auf dem alle Tierpfleger und Tiere stolz in die Kamera blicken, wäre das bloß noch peinlich.


M. B.

Freitag, 16. Oktober 2009

Doppelstreifen für das Staatsschauspiel - deftige Kritik kommt auch aus Leipzig

Der weiter unten stehende Text zum neuen Corporate Design des Staatsschauspiels Dresden findet erneut Zuspruch:

Für mich ist unbegreiflich, dass heute sogar Institutionen, die mit Bildern, mit Farben und Licht inszenieren, also selbst als darstellende Kunst die visuelle Kommunikation betreiben, scheinbar jeglichen Sachverstand eingebüßt haben, sobald ihnen wortreich eine „neue“, angeblich werbende Gestaltung unterbreitet wird.
Dem „Konsumenten" derartiger Hervorbringungen werden unzumutbare Belastungen beim Entschlüsseln solcher Art visueller Botschaften zugemutet, die zwar dem Fachmann, nicht aber den frech-frischen, „hippen“ Stylisten die Haare zu Berge stehen lassen. Ich leg sie einfach beiseite, diese Zettel, oder klicke weg. Das kann ja wohl der Sinn nicht sein! – Wo kommt sie eigentlich her, die Lust am Zerstören bewährter Strukturen und Grundlagen?

PS.: Besonders „gelungen“ die Seite im Internet, auf der die Darsteller vorgestellt werden. Die meisten balancieren ein gelbes Brett auf dem Kopf. („Mir hatten halt eben kein andres Foto, dafür aber genügend gelbe Balken“...).

(Jochen Fiedler, Grafikdesigner, Leipzig)

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Doppelstreifen für das Staatsschauspiel Dresden - eine Augenkrebsgarantie für alle

Der weiter unten stehende Text zum neuen Corporate Design des Staatsschauspiels Dresden findet weiterhin Beifall:

Als ich Anfang des Jahres das Heft „Spielzeit 2009/2010“ mit den neuen Darstellern in Händen hielt, hatte ich mir noch nicht viel dabei gedacht. An einigen Stellen zwar etwas eigentümlich, aber das hielt sich in Grenzen. Diesen Monat ist mir dann allerdings der Oktoberspielplan in Papierform zwischen die Finger gekommen und ich vermute, die Fassungslosigkeit stand mir deutlich ins Gesicht geschrieben. Die Frage, ob es so etwas wie Körperverletzung für Papier gibt, drängte sich auf.

Sogar mit einer gut gemeinten, großen Portion „künstlerischer Freiheit“ kann man diese unübersichtliche und abschreckende Darbietung nicht entschuldigen. Man möchte meinen, Schrift, Farbe und Raumaufteilung hassen sich gegenseitig. Der Vogel wird dann nochmal mit dem Internetauftritt abgeschossen, wo dem Betrachter mit grell-gelb auf weiß die Augen verblitzt werden.

Eine Augenkrebsgarantie für alle, die einen Blick drauf werfen! Man wird nur trotz und nicht wegen dieses Auftrittes ins Theater gehen - vorausgesetzt, man konnte sich vorher dazu zwingen, herauszufinden, wann welches Stück aufgeführt wird.

Ihre Kritik ist jedenfalls sehr treffend, besonders der Vergleich mit den Streifen auf den letzten Metern eines Kassenzettels gefällt mir gut. Irgendwie hofft man ja, dass die Rolle doch noch ausgetauscht wird.

(Cornelia R. – voller Name der Redaktion bekannt –, Systemberaterin)

Montag, 12. Oktober 2009

Der Grafiker Jürgen Haufe hätte am 15. Oktober 2009 seinen 60. Geburtstag gefeiert


Jürgen Haufe 1998. (Foto: M. B.)

Am 15. Oktober 2009 wäre der Dresdner Künstler Jürgen Haufe sechzig Jahre alt geworden. Haufe war einer der künstlerisch potentesten und kreativsten Grafiker, Grafikdesigner und Plakatgestalter der DDR, später Deutschlands und weit darüber hinaus.
International waren Haufes Plakat-Arbeiten geschätzt und wurden in den Grafik-Metropolen dieser Welt gezeigt, so in Warschau, Brünn, Ljubljana, Berlin, Toyama, Ogaki, Tokio, Osaka (alle Japan), Lahti und Helsinki (Finnland). Plakate von ihm befinden sich in Sammlungen und Galerien in Berlin, Essen, Lahti, Toyama, Warschau, Zürich, Hamburg, Brünn, Cottbus und natürlich auch in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden.

In Dresden jedoch ist Jürgen Haufe ganz besonders für seine Plakate und grafischen Ausstattungen inklusive der Programmheft-Gestaltungen für Premieren im Staatsschauspiel Dresden und in der Staatsoperette Dresden, für die Filmnächte am Elbufer und für den Dresdner Striezelmarkt bekannt geworden, aber auch für seine freien Grafiken, Collagen und Malerei, Performance-Dokumentationen und Fotografien.

Nach dem Tode Jürgen Haufes am 12. September 1999 schrieb Heike Müller-Merten im „SCHAUSPIEL“ Nr.2,1999/2000 über Jürgen Haufe und die Arbeitsgruppe Theaterplakat:
„Eine Vereinigung von Künstlern solchen Formats, die ob ihrer selbstlosen Zielsetzung und ansteckenden Neugier auf das andere Medium Theater inspirierend wirkte, sucht heute ihresgleichen und war wohl nur in einer bestimmten zeitlichen und personellen Konstellation möglich... Haufe hatte das Problembewusstsein, die verschwenderische Phantasie und den Ehrgeiz eines Künstlers – ohne je den partnerschaftlichen Blick für sein Gegenüber, seinen Nebenmann zu verlieren. Weil er andere Künste und Künstler akzeptierte und liebte, gelangen ihm seine wunderbaren Plakate. Er entwarf bissig-komische oder sachliche Programmhefttitel. Wie viel Mühe im Detail, wie viel Spaß bei der gemeinsamen Ideensuche, den frechen Collagen, den assoziativen Blättern. Stets zollte er den Regisseuren, ihren künstlerischen Überzeugungen Respekt. Eine jahrelange Frucht bringende Zusammenarbeit.“

Sehr viele seiner Werke zeigen, dass er sich dem freien, zeitgenössischen Jazz besonders verbunden fühlte. Zum damaligen Jazzclub Tonne Dresden hatte Jürgen Haufe ein besonderes Verhältnis: Viele seiner Werke fußten auf Skizzen, die er – meist in der ersten Reihe sitzend – zu Konzerten in der „Tonne“ angefertigt hatte. Die auch vom heutigen Verein Jazzclub Neue Tonne Dresden verwendete Wort-Bildmarke mit der Trompete stammt von Jürgen Haufe und wurde von ihm im Laufe der Zeit mehrmals gestalterisch überarbeitet.
Ebenfalls von diesem Künstler stammten viele Plakate des damaligen „Tonne“-Vereins, vor allem für das damalige Festival der „Tonne“, für den „Dresdner Jazzherbst“.

Jürgen Haufe starb wenige Tage vor seinem 50. Geburtstag, am 12. September 1999.


Jürgen Haufe gestaltete das Cover für die Joe-Sachse-CD „Ballade für Jimi Metag“ (1999, Born&Bellmann).