Dresden: Die Waldschlösschenbrücke. (Foto: M. B.)
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Montag, 20. September 2010

Haben die Jazzer gekniffen?

Der Jazzclub Neue Tonne veröffentlicht eine Broschüre zum Wende-Jazz in Dresden

Es ist zweifelsohne der bessere Weg: Erinnern und überlegen statt polemisieren und denunzieren. Schon Titel und Untertitel stecken den Rahmen für eine Broschüre ab, die jetzt vom Jazzclub Neue Tonne vorgelegt wird und sich mit dem „Jazz in Dresden rund um die politische Wende“ beschäftigt. „Streiflichter – Erinnerungen und Überlegungen“ sind die gerademal 55 Seiten benannt. Kein brisantes Enthüllungswerk ist es geworden, sondern das übersichtliche Bündeln von übersichtlichen Ereignissen, gipfelnd im Jahr 1989.

Viviane Czok-Gökkurt, die zum Thema eine hier Grundlage bildende Magisterarbeit verfasst hat, und der Dresdner Journalist und Jazzkenner Mathias Bäumel streifen als Textautoren im wahrsten Sinne des Wortes das, was den Klassiker Jazz im Veranstaltungsgeschehen populärer Musik der Spät-DDR ausgemacht hat, wie er sich über die brisanten Wochen hinweg präsentierte und wohin er führte. Das Vorhaben wurde maßgeblich vom Hannah-Arendt-Institut gefördert, allzu neue Erkenntnisse über den „Totalismus“ dürften dabei ausgeblieben sein. Und so wird „Streiflichter“ selbst zum Streiflicht.

Helmut Gebauer, Vorsitzender des Neue-Tonne-e.V., gelingt es auf vortreffliche, nahezu essayistische Art, in seinem Vorwort das Ansinnen des Projekts mit weiter greifenden Gedanken zu untersetzen, vor allem auch, wenn er schließt: „Neigt der Jazz zu unpolitischem Ästhetizismus? Darüber sollten wir nachdenken.“ Denn auf den folgenden Seiten wird deutlich, dass sich die meisten aktiven Jazzer aus allen, Mut erfordernden politischen Aktivitäten der „heißen Tage“ herausgehalten haben. Die mittlerweile legendäre September-Resolution von Populär-Kulturschaffenden der DDR sah so gut wie keine Jazzmusiker unterzeichnen, aus Dresden nicht einmal Musiker. Wobei der Gerechtigkeit halber erwähnt werden muss, dass in den Wohnungen von Unruhigen sehr wohl an eigenen, den Geist der Berliner Kollegen unterstützenden Stellungnahmen gearbeitet wurde, so besonders im Umfeld der Rockband Zwei Wege. Haben die Jazzer gekniffen? Man sollte sie danach fragen.

„Streiflichter“ gliedert sich in das Auflisten politischer, zumeist auf Dresden bezogener Fixpunkte und untersetzt diese mit Bezügen, wenn möglich, zum Jazz, aber durchaus auch zum Privaten. Die Edition schlägt eine Brücke von 89er Veranstaltungen in der Tonne hin zu 2009, als das Projekt „Wendejazz“ mit zwei thematischen Konzerten und einer Ausstellung initiiert wurde. Das Büchlein verlagert relevante Diskussionen und Gespräche zurück auf die vor allem persönliche Ebene. Es ist wohl der beste Weg in einem Land, das sich in Sachen gepflegter Streitkultur kaum von der Stelle bewegt. Jetzt, 20 Jahre danach, wo die meisten, die es wirklich wollten, ihre „Akte(n)“ gesehen, Klarnamen entdeckt und autonom ihre Entscheidung getroffen haben, was sie damit anfangen wollen. Insofern ist jene Stelle etwas unglücklich, da im Versuch, Strukturen der Stasi-Infiltrierung des Kulturbetriebs zu benennen, doch noch zwei IM quasi als Ross und Reiter gleichermaßen auftauchen, während andere mit einem „XY“ eher angemessen davonkommen. Das wäre verzichtbar gewesen.

Ohne die inhaltlichen Aspekte gering zu schätzen: Eine wunderbare Aufwertung bekommt „Streiflichter“ durch die Optik. Bis auf eine Ausnahme sind von den 1989er Tonne-Veranstaltungen keine Fotos mehr vorhanden. Einer, der zu dieser Zeit viel fotografiert hat, der zudem als Zuhörer im guten Sinne Jazz war, ließ seine Arbeiten vernichten, bevor ihn eine schwere Krankheit 1999 in die Knie zwang: Jürgen Haufe, Grafiker, Maler. Undatierte, unsignierte und bislang unveröffentlichte Skizzen wurden von Gestalterin Kerstin Hübsch im guten Sinne zusammengepuzzelt, so, dass sie weit mehr als illustrieren, sondern das gesamte Konzept mittragen. Denn, was anders als Streiflichter hat der großartige Künstler und Mensch Haufe mit Papier und Bleistift geschaffen?

Andreas Körner

„Streiflichter“ gibt es zum Preis von fünf Euro im Sweetwater Recordstore Dresden-Loschwitz sowie zu den Veranstaltungen im Jazzclub Neue Tonne.

(Das Original des Artikels erschien zuerst in den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 18./19. September 2010.)

Dienstag, 7. September 2010

Vom Kundendienst der Telekom oder: Wie man jede Lust auf dieses Unternehmen verliert

(Kein Anschluss? Foto: Joujou/pixelio)

Dresden, Montag, 6. September 2010. Der Tag eines freischaffenden Werbegrafikers und Buchgestalters begann - - - oder nein, er begann doch noch nicht richtig. Internet ging nicht, E-Mail-Empfang keiner, auch das Telefon war tot... Na ja, vielleicht eine kleine Störung, da mach ich unterdessen etwas anderes, dachte der Grafiker.
Dann gegen zehn Uhr: Immer noch alles tot!
Also doch die Telekom anrufen und die Störung reklamieren. Darum bat mich nun der Grafiker, denn dessen Telefon war ja tot und meins funktioniert.

Nachdem ich mich durch automatisierte Fragen durchgehangelt habe, kommt die Automatenantwort, dass auf dem von mir angegeben Anschluss DSL zeitweise nur eingeschränkt zur Verfügung stehe und dass man daran arbeite. Okay, denke ich missmutig, und lege auf.

Kurz vor elf Uhr geht immer noch nichts, ich rufe wieder an, hangele mich wieder durch die Automatenstimmenschleifen, höre, dass ein Problem bekannt sei und man daran arbeite und antworte mit „Ja“, als der Automat mich fragt, ob ich dennoch einen Kundenberater wünsche. Der geht nach längerem Warten bei unerträglicher Computermusik auch an den Apparat. Ja, es sei ein Problem in den Leitungen oder in Knotenpunkten, man habe schon mehrere Störungen in Dresden, wir müssten jedoch keinen Termin beim Grafiker vor Ort machen, an der in den Leitungsbereichen angesiedelten Störung werde gearbeitet. Wie lange das dauern würde, frage ich. Innerhalb von 24 Stunden müssen solche Störungen behoben sein, antwortet er. Nun gut.

Abends probiere ich immer mal wieder, rufe den Grafiker an – nichts, tot.

Am Folgetag, dem heutigen 7. September, teste ich neugierig gleich früh – nichts, immer noch alles tot. Die Zeit vergeht. Mittlerweile sind die 24 Stunden längst rum.

Von zehn Uhr bis zehn Uhr siebenundvierzig versuche ich nochmals von meinem Telefon aus, Hilfe zu bekommen. Vergebens. Wie am Vortag wieder die Automatenstimme. Die Störung sei bekannt, man würde mich benachrichtigen, wenn sie behoben wäre. Wiederum sage ich „Ja“ auf die computergenerierte Frage, ob ich dennoch einen Kundenberater wünsche, und dreimal quäle ich mich durch schier unerträgliche Klingel-Klangel-Synthesizer-Popmusik – jedes Mal, bis ich gestoppt werde mit der Computer-Ansage, dass alle Abfrageplätze besetzt seien und ich in einiger Zeit wieder anrufen solle.

So geduldig ich auch bin, es steigt Wut in mir auf. Im Zeitraum elf Uhr vierzig bis elf Uhr fünfzig dasselbe Spiel, bis zum bitteren Ende – der Ansage mit den vollständig belegten Abfrageplätzen und dem Kappen der Verbindung...
Mein Herz pocht, und ich muss an Lenin denken, der gesagt haben soll, der Terrorismus sei ein Produkt der Verzweiflung. - Aber: Ich bewahre Ruhe.

Zwölf Uhr zwanzig versuche ich es noch einmal, und siehe da, zwölf Uhr achtunddreißig habe ich einen lebendigen Gesprächspartner am telefonischen „Abfrageplatz“. Der stellt fest, dass die Leitungen alle in Ordnung seien. Dass aber der Fehler möglicherweise zu einer Verstellung der Einstellungen der Telekom-Anlage im Büro des Werbegrafikers geführt haben könnte. Dies habe man dem Kunden ja mitteilen und ihm Anweisungen übermitteln wollen, wie er die Anlage wieder zurücksetzen könne, aber da sei schon ewig besetzt... – Was? Besetzt? Welche Nummer man denn angerufen habe die ganze Zeit, frage ich. - - - Kurzes Schweigen, darauf – erst leise, dann sich langsam zu Normallautstärke steigernd – nennt er genau die Nummer, die seit mehr als einen Tag gestört, also tot ist.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt (etwa 16.15 Uhr) ist der Fehler noch nicht behoben.

(aufgeschrieben von M. B.)

Freitag, 3. September 2010

Sprachkünstler der Sächsischen Zeitung haben Komma-Problem bei Plakat-Kampagne

Wie gut die Sächsische Zeitung ihr Metier - die Arbeit mit der Sprache – versteht, muss man hoffentlich nicht von diesem Plakat (SZ-Kampagne) ableiten ...

„Qualität heißt, immer noch besser werden zu wollen.“

„Qualität heißt immer, noch besser werden zu wollen.“

„Qualität heißt immer noch, besser werden zu wollen.“

Drei mögliche, durchaus verschiedene Bedeutungen - welche aber ist gemeint? Der Satz auf diesem Plakat jedenfalls ist falsch, denn ein Komma muss auf jeden Fall da irgendwo hinein! Aber wohin hätten es denn die Formulierungskünstler gern?

M. B. / (Foto: M. B.)