Dresden: Die Waldschlösschenbrücke. (Foto: M. B.)
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Dienstag, 15. Oktober 2013

Gespräche zwischen Dynamo Dresden und dem DFB könnten Veränderungen bewirken

Soll es im deutschen Fußball so bleiben, wie es ist? Dies ist die eigentliche Frage, um die es gegenwärtig bei der Auseinandersetzung zwischen Dynamo Dresden und dem DFB gehen sollte.

Wenn Dynamo Dresden sich bis Ende Oktober 2013 entscheiden muss, ob es vor ein staatliches Gericht zieht, um die Grenzen und Ungerechtigkeiten der Fußball-Sportgerichtsbarkeiten zu durchbrechen, sollten alle Beteilgten bedenken: erst in zweiter Linie geht es um Gerechtigkeit für den Dresdner Kult-Fußballklub. Zuallererst muss die Frage im Mittelpunkt stehen, ob die sogenannte verschuldensunabhängige Haftung, wie sie im Paragraphen 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB festgeschrieben ist, für den deutschen Fußball noch zeitgemäß oder für ihn vielleicht doch eher schädlich ist. Wenn dies geklärt ist, kann über den Weg hin zu besseren Verhältnissen gesprochen werden.

Zum ersten sollte grundsätzlich die Richtigkeit und Wirksamkeit von finanziellen Strafen auf dem Prüfstand! Eine kontraproduktive Üblichkeit in unserer Gesellschaft ist die Gepflogenheit, Einnahmen abhängig vom Ausmaß des Fehlverhaltens zu machen. Die Kommunen haben umso mehr Einnahmen, je mehr Falschparker und Raser dingfest gemacht werden. Der Staat spült sich umso mehr Geld in die Kassen, je mehr Menschen rauchen und saufen. Das Wohl von Staat und Kommunen steigt mit steigender Menge des Fehlverhaltens. Einleuchtend, dass diese gängige Konstruktion das Engagement gegen Fehlverhalten stark bremst.

Der DFB zieht Strafgelder ein, wenn es in und vor den Stadien zu Gewalttaten und Pyro-Missbrauch kommt. Je mehr Gewalttaten und je mehr Pyro-Missbrauch, desto höher die Einnahmen. Wieso sollte also das Engagement des DFB gegen Gewalttaten und Pyro-Missbrauch glaubhaft sein?

Schlimm dabei ist nun besonders, dass der DFB die Clubs sogar dann zur Kasse bitten kann, wenn denen absolut keine Verfehlungen vorzuwerfen sind – wie aktuell auch im Falle von Dynamo Dresden.

Mindestens genauso schlimm ist weiterhin, dass die auf diese Weise bestraften Klubs weniger Geld für Fanarbeit ausgeben können. Mit anderen Worten: Der Vollzug der Geldstrafe verbessert die Entstehungsbedingungen für künftige Gewalttaten. Möglicherweise ein Teufelskreis!

Zum zweiten muss die sicherheitsgefährdende Rolle der »verschuldensunabhängigen Haftung« zum Anlass für ein grundsätzliches Umdenken gemacht werden.
Mit dem Paragraphen 9a seiner Rechts- und Verfahrensordnung legt nämlich der DFB das Schicksal des Fußballs in die Hände von Kriminellen.
Denn eins ist klar: Jeder Fan jedes beliebigen Vereins kann sich in die Farben des Konkurrenzvereins kleiden und Raketen abfeuern, jeder Sicherheitsmitarbeiter am Einlass kann Pyrotechnik und Flaschen bei den ins Stadion strömenden Gästefans geflissentlich übersehen. Auch deshalb ist das Sanktionierungssystem, bei dem die Vereine für die Gewalttaten von Kriminellen bestraft werden, kontraproduktiv. Denn damit macht man die Vereine vom Willen dieser Kriminellen abhängig oder sie sogar erpressbar. Süffisant stellte mancher Journalist nach dem Dortmund-Spiel am 25. Oktober 2011 die Frage, wie lange sich ein Sponsor solche Randale bieten lassen könne. Was den Dynamo-Sponsor Veolia sogleich veranlasste, seinen Ausstieg anzudrohen.

Folgendes Beispiel kann die gefährliche Rolle der »verschuldensunabhängigen Haftung« verdeutlichen: Spiegel Online zufolge verabredeten sich damals rechtsextreme Gewalttäter aus Dortmund, Dresden und weiteren Regionen per E-Mail bereits unmittelbar nach der Auslosung des DFB-Pokalspiels Borussia Dortmund gegen Dynamo Dresden (25. Oktober 201) am 7. August 2011 mit dem Ziel, dieses Fußballspiel als Bühne für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Seit dieser Auslosung arbeitete ein ganzes Netzwerk Gewaltbereiter und Rechtsextremer daran, der Öffentlichkeit zum Spieltag mittels Taten zu zeigen, »wer Deutschland wirklich ist«, wie dem Spiegel zufolge ein gewisser Schorsch, ein einflussreicher Vertreter des Nationalen Widerstands Ruhrgebiet, formulierte.
Randale, Gewalt und Chaos begleiteten dann tatsächlich dieses Pokalspiel und führten schließlich zu einer Verurteilung des Dresdner Fußballvereins.

Gegen solche organisierte Kriminalität vorzugehen und sie zu verhindern, haben Fußballklubs weder juristische (polizeiliche und geheimdienstliche) Befugnisse noch organisatorische Möglichkeiten. Aber der DFB will, dass sie für die Kriminellen büßen. Das bedeutet nichts anderes, als dass der DFB das Schicksal der Klubs in die Hände von Kriminellen legt – halten die den Daumen hoch (wenn keine Randale organisiert wird), kommt der Fußballklub ungeschoren davon, senken die den Daumen und organisieren Randale, ist der betreffende Verein eigentlich unabwendbar (s)einer Strafe ausgeliefert.

Auf diese Weise haben es Kriminelle in der Hand, die Geschicke im Fußball mitzusteuern!

Zum dritten muss ein Etikettenschwindel aufgeklärt werden. Bei der Formulierung »verschuldensunabhängige Haftung« handelt es sich ja keineswegs um eine »Haftung«, also darum, dass irgendjemand für nachweislich entstandenen Schaden haftet, sondern um eine Sanktion, um eine Strafe. Darf richtig sein, dass nicht der Täter verfolgt und bestraft wird (darum drücken sich die Strafverfolgungsbehörden meist), sondern der, der zuerst und am leichtesten greifbar ist?

Dass – viertens – die bisher von der DFB-Gerichtsbarkeit gefällten Urteile gegen Dynamo Dresden im Vergleich zu denen gegen andere Klubs meist unverhältnismäßig streng und damit ungerecht waren, hat ebenfalls eine sicherheitsgefährdende Dimension. Die Urteile nach dem betreffenden Dortmund-Spiel von 2011 zeigten, wie wenig ernst es dem DFB beim Kampf gegen Gewalt vor und in den Stadien ist. Erinnern wir uns an die Tatsache, dass das Sportgericht mit seiner Strafe gegen die Begünstiger der Gewalt in Dortmund – das dortige Einlass- und Kontrollpersonal – noch hinter dem Antrag des DFB-Kontrollausschusses zurückgeblieben ist. Das glich einer Aufforderung an alle künftigen Einlass- und Kontrollkräfte der Klubs, bei konkurrierenden Gastvereinen sogar riesig große Böller und Raketen, Baseballschläger und Schlagringe geflissentlich zu übersehen.

Wohin will der DFB? Wenn er wirklich für eine größere Sicherheit in und vor den Stadien eintreten will, sollte er sich wohlwollend mit Dynamo an einen Tisch setzen und gemeinsam mit allen Fußballklubs – auch mit den Dresdnern – alte Zöpfe abschneiden und aktiv nach Lösungen suchen.
Dann müsste Dynamo nicht im Interesse des Fußballs vor ein staatliches Gericht ziehen.

M. B. (korr. 16.10.2013)

Mittwoch, 9. Oktober 2013

Semperoper wird mit postfeudalen Festivitäts-Imitationen ins »rechte Licht gerückt«

Kultur in Dresden – manchmal ein immer größer werdendes Ärgernis. Da berichtete doch gestern (8. Oktober 2013) der MDR Sachsenspiegel ziemlich ausführlich über die sogenannten Castings der Debütanten-Tänzer des Semperopernballes (ich verlinke hier absichtlich nicht) – und zwar etwa drei Monate vor dem Ball!

Das lässt befürchten, dass bis zum Ball-Start noch viele weitere Vorberichte über den Bildschirm laufen sollen. Damit scheint sich auch dieses Jahr anzubahnen, was in den vergangenen Jahren zur üblen Gewohnheit wurde: die (Fehl-)Inszenierung des Semperopernballes als kulturelles Großereignis.

Klar: die Leute sollen ruhig tanzen. Und sie sollen sich auch ruhig einmal »glitzernd« kleiden (das diesjährige Ball-Motto verrät das Anspruchsniveau der Macher: »Dresden glitzert« ...) – aber warum lässt die Oper es sich gefallen, dass ein Ball in der Medienberichterstattung ungleich mehr Gewicht und damit Wichtigkeit erhält als eine Opernaufführung?

Oder hat man es jemals erlebt, dass mehrere Monate vor einer Premiere mehrfach en detail über Premierenvorbereitungen berichtet würde, mit Interviews von Sängern, die freudestrahlend in die Kamera hauchen, wie glücklich sie sind, für diese oder jene Rolle ausgewählt worden zu sein, mit Kameras, die »exklusiv« das Probengeschehen beleuchten?

Wenn eine Oper mit postfeudalen Festivitätsimitationen mehr ins Gerede als mit ihren eigenen Opernaufführungen zu kommen scheint, sollte das beunruhigen.

M. B.