Die legendäre Konzertreihe »Jazz in der Semperoper« wurde nicht nach 19 Jahren, wie bisher einige Quellen meldeten, sondern nach sage und schreibe runden 20 Jahren von der Leitung der Sächsischen Staatsoper Dresden abgesetzt.
Ausgelöst wurde diese statistische Irritation durch verschiedene Auffassungen darüber, wann das erste Konzert dieser Reihe stattgefunden hat.
Das Programmheft zum »Late Night Jazz« am 27. August 2003 hat den Titel »10 Jahre Jazz in der Semperoper«, im Heft selbst wird 1993 als Startjahr und das Konzert mit Barbara Dennerlein am 24. September 1993 als erstes Konzert dieser Reihe angegeben.
Doch schon ein Jahr zuvor ging am 17. Oktober 1992 ein Freejazz-Auftritt der beiden Pianisten Aki Takase und Alexander von Schlippenbach über die Semperoper-Bühne. Der jedoch wurde lange Zeit von einigen in der Öffentlichkeit als eingemietetes Fremdkonzert interpretiert. Die Tatsache, dass dieser Abend nicht von einem Opern-Dramaturgen, sondern vom Vertreter der Konzertagentur angesagt wurde, bestärkte diesen Eindruck.
Das jedoch ist, wie sich nun herausstellt, falsch. Die beiden Klavierkünstler Takase / Schlippenbach wurden von der Semperoper – vertreten durch den langjährigen künstlerischen Betriebsdirektor und zweimaligen Interimsintendanten dieser Oper, Hannes Matz – bei der Agentur Color gebucht, die Sächsische Staatsoper war also veranstaltender Vertragspartner, es war ihr Konzertabend.
Dass nun gerade dieses erste Konzert in der Statistik für lange Zeit »vergessen« wurde, hatte Gründe. Und die lagen nicht nur im – die Touristen vertreibenden – Freejazz, sondern vor allem in der Eitelkeit des Roland Beneke begründet, der, von der Oper Leipzig kommend, am 1. März 1993 die Stelle des Geschäftsführenden Direktors der Sächsischen Staatsoper Dresden antrat. Schon als Verwaltungsdirektor in Leipzig hatte er Erfahrungen mit Jazzkonzerten im Opernhaus gesammelt. Schnell wurde klar – niemand außer ihm, dem »Macher«, durfte den Jazz in die Dresdner Oper geholt haben! Eine gewisse Ignoranz gegenüber den Leistungen der Vorgänger mag auch mitgeschwungen haben.
Und so wurde die Geschichte ein klein wenig um- und das besagte Programmheft entsprechend »zurechtgeschrieben« – auch der Autor dieser Zeilen fiel darauf herein.
Auch wenn die Eitelkeit einer einflussreichen Person schnell zum Problem für die Öffentlichkeit werden kann – was waren das doch für schöne Zeiten, in denen es für einen Direktor extrem wichtig war, als derjenige zu gelten, der den Jazz in die Oper gebracht hat.
M. B.
sss
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Sicher, Herr Beneke war eitel. Aber er hatte in gewisser Weise Sinn für Kultur und Kunst – warum sonst hätte er sich mit dem Image eines »Jazz-Innovators« schmücken wollen. Was Kunst für die Menschen wirklich bedeutet, diese Einsichten sind heutigen Intendanten manchmal fremd ...
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