Dresden: Die Waldschlösschenbrücke. (Foto: M. B.)
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Dienstag, 13. Dezember 2011

Aus für die SZ-Beilage PluSZ – Wirkungen zwischen Niedergang und Chance

Die wöchentlich erscheinende kulturelle Veranstaltungsbeilage PluSZ der Sächsischen Zeitung soll zum 26. Januar 2012 eingestellt werden. Dies meldete bereits am 27. November 2011 flurfunk-dresden.de. Dort gab DD+V-Geschäftsführer Oliver Radke auch zum »besten«, dass es dabei um Kohle geht: »Der Verlag konzipiert bis dahin ein Anschlussprodukt, das wie PluSZ der SZ beigelegt wird. Die Konzeption dieses Produktes erfolgt unter Vermarktungsgesichtspunkten, um dessen Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.«

Auf gut Deutsch: Ein Nachfolgeprodukt soll als Verlagsbeilage produziert werden, also zu 100 Prozent werbefinanziert, betreut von einem einzigen festfreien Redakteur, der für dann 16 Seiten pro Woche verantwortlich ist. Unter Zuhilfenahme von zwei Freien für mariginale Zuarbeiten ist der »Alleinredakteur« dann zuständig für Bühne, Musik, Kunst und Film, aber auch für die Akquise von werbefinanzierten Texten und Veranstaltungs- sowie Kinodaten. Wie kompetent kann der da noch sein? Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat der dann noch? Und wie viele bisherige PluSZ-ler beißen ins Gras?

Texte, die dort erscheinen, werden Promo-Texte der Veranstalter sein. Kleine Klubs mit minimalen Finanzmitteln dürften dann – je nach Preisen – in diesem Werbeblättchen nur noch kaum oder überhaupt nicht mehr vorkommen.

Wer mehr Geld ausgeben kann, kriegt mehr Text.

Wohin das führen kann, konnte man in den letzten Jahren sehen, als ein Jazzveranstalter Titelseiten und Anzeigen bei Dresdner Medien gleich in Serie kaufte, um für sein dürftiges »Festival« zu werben – mit dem Ergebnis, das qualitativ bessere und anspruchsvollere Angebote anderer, aber nicht annähernd so finanzkräftiger Veranstalter ins Aus des öffentlichen Bewusstsein gedrängt und Qualitätsmaßstäbe völlig verzerrt wurden.

Die Aufgabe der bisherigen PluSZ-Beilage zugunsten eines auf Schmott konzipierten Werbeblättchens begünstigt die Verlagerung des (eigentlich legitimen) Wettbewerbes der Veranstalter um Publikum von der Ebene der künstlerischen Qualität auf die Ebene der Finanzkraft.

Aber: Ob dieser Schritt aus der Sicht seiner Initiatoren zum Ziel führt, bleibt fraglich. Wenn ohnehin nur abgedruckt wird, was Veranstalter bezahlt haben, kann man sich als Leser und Veranstaltungstipp-Sucher auch gleich per Internet, E-Mail-Rundbrief-Abo und RSS-Feed direkt bei den Veranstaltern informieren. Das geht heutzutage mit ein, zwei oder drei Klicks am Computer oder mit dem Smartphone und erbringt sogar noch aktuellere Ergebnisse als bei Nutzung eines Wochenblattes.

Was die PluSZ und überhaupt eine seriöse Zeitung ausmacht(e), sind die journalistische und sachliche Kompetenz, die Souveränität und die Kritikfähigkleit der Journalisten. Die haben den nötigen Überblick, die Fachkenntnis und den kritischen Geist, sie werden genau deswegen von der Leserschaft wertgeschätzt. Denn sie bewerten nämlich das, was an Veranstaltungstipps in die Welt »gepresst« wird, geben Orientierung und helfen dem »Kultursuchenden«, einen jeweils individuellen Weg durch den Kulturdschungel zu finden. Leser honorieren Niveau und lesen nach Autorennamen.

Genau dieses Plus (um fast beim Beilagentitel zu bleiben) soll nun bald der Leserschaft vorenthalten werden?

Vielleicht jedoch ist dies eine Chance für die Konkurrenz? Und damit doch noch eine für das Publikum?

Mathias Bäumel

11 Kommentare:

  1. Ich hab es ja immer geahnt – der SZ geht es erst um Gewinn, dann um Qualität …

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  2. Mir ist das ehrlich gesagt egal. Unsere Veranstaltungen sind im PluSZ sowieso nie vorgekommen. Das Heftchen passt sich damit nur dem Niveau der restlichen Zeitung an. Aus meiner Sicht ist das kein Verlust...

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  3. Gut für echte Stadtmagazine, denen die Kulturszene am, Herzen liegt ... ;-)

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  4. Was war, was ist die PluSZ – a. für Leser und Kulturtipp-Sucher und – b. für Veranstalter? Kleinere Veranstalter hatten es ohnehin schwer, redaktionelle Veranstaltungsankündigungen in der SZ unterzukriegen, man verwies immer auf die PluSZ. Und die konnte da wöchentlich nur einen Schwerpunkt setzen. Zu wenig für die nötige Vielfalt. Leser auf der Suche nach Kulturtipps allerdings waren mit der PluSZ zufrieden.

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  5. Übrigens:
    Meinungsäußerungen – pro oder kontra – zum PluSZ-Aus können gemailt werden an:
    dietmann.carsten@dd-v.de (Geschäftsführer)
    vetterick.uwe@dd-v.de (Chefredakteur)

    Man kann denen auch Fragen stellen.

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  6. Die Annahme, dass Leser nach Autorennamen lesen, ist schlicht falsch. Nichts interessiert die Leser weniger als der Autor des Beitrags. Sie interessiert dessen Inhalt. Für Autorennamen interessiert sich nur eine kleine nicht repräsentative Gruppe von Insidern. Das birgt leider die Gefahr, dass manche Autoren diese kleine Gruppe, wenn sie zudem ihr persönliches Umfeld ausfüllt, für das Universum halten und für sich und diese Gruppe schreiben, aber nicht für die vielen tausend Leser, die sie eigentlich erreichen wollen. Das gilt für Zeitungsartikel ebenso wie für Blogs.

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  7. ... nee, meine Erfahrungen und die in meinem weiten Bekanntenkreis sind da völlig andere. Zumindest im Kulturjournalismus-Bereich, über den wir bei der PluSZ ja reden. Vielen Lesern dienen die Autoren als »Leitlinien«. In dem Wust an Artikelangeboten orientiert man sich an ihren Namen. Wenn unter einer Konzertkritik der Name des Herrn K. steht, liest mancher den Artikel erst gar nicht, wenn aber Herr Z. gezeichnet hat, wird gelesen – oder umgedreht. Über die Jahre kenne ich Standpunkt und die Qualitätsmaßstäbe des Filmjournalisten XY – wenn ich also weiß, was der geschrieben hat, besuche ich den Film oder auch nicht. ... Übrigens: Von »vielen tausend Lesern« können Kulturseiten nur träumen, und für wen ein Journalist schreibt, ist ein weites Feld. Es gibt Zeitungen, denen man sehr anmerkt, dass sie nur das schreiben, was vermutungsweise »viele tausend Leser« lesen wollen. Das allein kann und darf es ja nicht sein.

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  8. @Anonym: woher stammen diese Informationen? Wer eine fremde Annahme für falsch erklärt und durch seine eigene ersetzt, könnte ruhig mal ein paar repräsentative Fakten zu seinen Behauptungen liefern.

    Ich spreche nur für mich, aber egal, ob ich die PluSZ, die ZEIT oder den Guardian lese, bin ich neugierig und gespannt auf die Meinungen „meiner“ Lieblinsgautoren, denen ich z. T. seit Jahren folge und die daher in ihren Urteilen authentisch wirken.

    Übrigens denke ich, dass es nichts Verwerfliches darstellt, sich als Blogger auf seinem Blog ganz wie ein Sonnenkönig als Mittelpunkt seines eigenen kleinen Universums zu fühlen. Nosce te ipsum! ;)

    Außerdem gebe ich Mathias recht, dass man mit Kulturseiten prozentual wohl die wenigsten Leser einer Zeitung anspricht. Wäre es anders, müsste man Kulturredakteuren auch ganz andere Gehälter zahlen! ;)

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  9. vielleicht gewinnen dresdner und sax damit mehr leser. aber wahrscheinl. werden sich nur noch mehr leute dem mainstream hingeben müssen. die sz sägt ja seit langem an ihrem eigenen ast, siehe online und facebookseite. offensichtlich hat man dort in den radaktionen aber auch keinen arsch in der hose, sich für qualität einzusetzen.

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  10. Als gelegentlicher Dresden-Besucher aus der Provinz bin ich ehrlich gesagt froh über jede Hilfe bei der Auswahl meiner kulturellen Aktivitäten, vor allem, wenn es sich um Angebote handelt, die ich z. B in meiner ver-Cinemaxxten heimischen Kinolandschaft nicht geboten bekomme. Gleiches gilt für Konzerte, Ausstellungen, große Kleinkunst usw.
    Ich als Smartphone-freier Bürger greife dann gerne auf haptisches zurück - und wenn es die PluSZ war/ist, zumal ich darin tatsächlich immer wieder mal Tipps jenseits der üblichen Veranstalter-PR finden konnte.
    Dresdner und Sax merkt man leider auch inhaltlich an, dass sie chronisch unter Finanzierungsmangel und gelegentlich Aktualität leiden.
    Unterm Strich bleibt festzuhalten: zuerst muss die Kasse stimmen, ganz am Ende orientiert man sich am Leser. Tatsächlich ist es wünschenswert, wenn endlich mal wieder jemand den Mut aufbrächte, genau andersherum zu denken. Zufriedene Leser sind die Voraussetzung für gute Geschäfte.

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  11. Kulturjournalismus ist meistens eh bloß pseudointellektuelle Schönschreiberei. Meistens wohlgemerkt, denn wenn ich mal was über Kultur in Dresden lesen will, schaue ich die DNN. Auch weil mir das geschwurbelte Deutsch mancher Stadt-Magazin-Autoren tüchtig auf den Senkel geht. Da hat man den Eindruck, das ist nur geschrieben worden, damit sich der jeweilige Autor selbst abfeiern kann.

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