Dresden: Die Waldschlösschenbrücke. (Foto: M. B.)
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Freitag, 27. November 2009

Kleine Klubs, große Karrieren - Was vor den großen Dresdner Konzerten der Stars passierte

(Rebekka Bakken. Foto: Bremme+Hohensee)

Wohl Anfang 1994 gaben die damals noch nicht sehr bekannten Fantastischen Vier im Dresdner Starclub (heute „Beatpol“) ein bejubeltes Konzert, und Starclubchef „Lotte“ Lachotta machte im Vorfeld auch unter Journalisten Werbung. Es sei das Beste, was der deutsche Hip Hop zu bieten habe, die Jungs würden noch ganz groß werden und man würde ein wichtiges Konzert verpassen, wenn man es verpassen würde. Lachottas Prophezeiung traf ein.

Ebenfalls im Starclub gab Mitte November 1996 Moby ein Konzert – um einiges früher als sein internationaler Durchbruch als Star 1999. Wieder hatte der Starclub ein feines Gespür für künstlerischen Wert und Potenzial; Moby gehört heute längst zu den ganz Großen der Popmusik.

Wenn Dresdner Medien heutzutage den Sänger Roger Cicero feiern, sei daran erinnert, dass der junge Mann sein erstes Konzert hier in der Region Anfang März 2006 in der „Tonne“ gegeben hatte.

Auch der im Juni 2008 tödlich verunglückte weltberühmte Pianist Esbjörn Svensson („e.s.t.“) musizierte schon vor vielen Jahren in der „Tonne“ – übrigens mit Nils Landgren und lange bevor er von der Dresdner Hochkultur für große Bühnen „entdeckt“ wurde.

Auch mit dem Konzert des Saxofonisten Rudresh Mahanthappa Ende März 2009 hatte die „Tonne“ ein gutes Händchen, wurde doch der Indoamerikaner wenige Wochen später von den weltweit einflussreichsten Jazzjournalisten in die allervordersten Poll-Plätze der Welt gewählt.

Der norwegische Pianist Helge Lien, im September 2008 in der „Tonne“ frenetisch gefeiert, könnte ein ähnlicher Fall werden; seit dem Herbst 2008 steigen Bekanntheitsgrad in internationalen Medien und die CD-Verkäufe gravierend.

Nun ist also die grandiose norwegische Sängerin Rebekka Bakken auf Tournee – am 27. November 2009 wurde sie deutschlandweit als Star im ARD-Morgenmagazin präsentiert; am 29. November 2009 singt sie im Dresdner Alten Schlachthof. Dem Dresdner Publikum erstmals vorgestellt wurde sie jedoch im Jazzclub Neue Tonne – schon vor knapp sieben Jahren am 22. Februar 2003, die Tickets damals für ungefähr ein Drittel des heutigen Preises.

Mit Recht also haben Beatpol und die „Tonne“ beim jeweiligen Publikum den Ruf, eine Art Trüffelschwein zu sein. Wer diese Klubs besucht, darf immer wieder musikalische Schätze erwarten, an deren Auffindung und Bergung diese kleinen Einrichtungen große Verdienste haben, während später dann große Veranstalter mit diesen Künstlern große Verdienste erzielen können.

Klubs wie der Beatpol und die „Tonne“ – und deutschlandweit gibt es eine ganze Reihe dieser Art, so dass sich diese Aussage verallgemeinern lässt – leben eben auch davon, dass sie entdeckerisch und riskant arbeiten.

Und sie spüren ständig die Folgen ihres Handelns. Sie können die schnell steigenden Gagen ihrer „Entdeckungen“ nicht mehr bezahlen – die öffentlichen Meriten erhalten nicht selten andere. Was solchen kleinen Klubs bleibt, ist die Zufriedenheit darüber, vielversprechenden Künstlern zu einem Schritt in die Welt der Karrieren verholfen zu haben. Immer wieder, ein normaler Vorgang.

Ein Vorgang, der darauf verweist, dass man Veranstaltungen nach mindestens zwei Kriterien beurteilen sollte. Einerseits nach der künstlerischen Leistung der Darbieter, andererseits nach den Leistungen der Veranstalter – es ist keine Kunst, mit viel Geld Gutes auf die Bühne zu stellen. Und mit viel Geld das Übliche auf die Bühne zu stellen, ist sogar kritikwürdig. Aber mit wenig Geld das Besondere präsentieren – das hält das Kulturleben in Schwung!

Mathias Bäumel